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Zeitzeugnis Hermann Weiand (1926–2020)

Die Universität – ein Geschenk

Nach den langen, ziel- und orientierungslosen Jahren in Krieg und Gefangenschaft war die Möglichkeit des Studiums ein großes Geschenk und Privileg. Da die Geisteswissenschaften insgesamt in einem Block der ehemaligen Kaserne in Saarbrücken untergebracht waren, konnte eine breite Angebotspalette nach Belieben genutzt werden.

Überhaupt bot die Entstehung der Universität innerhalb eines zusammenhängenden Kasernengeländes als echter Campus mancherlei Vorteile. Viele wenig begüterte saarländische Studenten (andere gab es zu diesem frühen Zeitpunkt kaum) konnten z. B. in den Wohnheimen auf dem Universitätsgelände kostengünstig untergebracht werden. Dies erwies sich auch für die studentische Selbstverwaltung als segensreich und half mir, ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl entstehen zu lassen. Als Bedürftiger erhielt ich mit Glück ein Bett im Viererzimmer Nr. 13, neben Albert Gräser, dem späteren Pressereferenten.

Schon aus materiellen Gründen wäre für mich und viele andere saarländische Kommilitonen ein Studium in Deutschland oder Frankreich kaum realisierbar gewesen, weshalb man von vornherein für das Vorhandensein dieser Universität ganz einfach dankbar war, gleich welche Mängel zweifelsohne am Anfang noch in Fülle vorhanden waren (Mangel an Büchern, Arbeitsmitteln, allgemeine Ausstattung, Defizite im Lehrkörper). Nach dem Verlust von so vielen Jahren wurde das Studium mit Eifer und Fleiß und der festen Absicht begonnen, alles andere außen vor zu lassen – was sich sehr bald als Illusion erweisen sollte.

 
Studentisches Engagement – nicht ungefährlich

Schon vor der Pflichtprüfung nach dem ersten Jahr (Propädeutikum) in Englisch, Deutsch, Philosophie, deren Ergebnis mir einen Stipendiumsanspruch einbrachte, besuchte ich eines schönen Morgens (1950) eine Versammlung der Studierenden der Philosophischen Fakultät, auf der Vertreter gewählt werden sollten. Nach der … Vorgeschichte der Versuche, eine studentische Vertretung oder gar Selbstverwaltung aufzubauen, war kaum jemand sonderlich erpicht darauf, sich der Brisanz dieser Interessenvertretung auszusetzen. Als ich überraschend für die Wahl vorgeschlagen wurde, sah ich mich bestenfalls als Lückenbüßer und wurde zu meiner Verblüffung gleich im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit gewählt.

Binnen einer Stunde nach dieser Versammlung wurde ich telefonisch für 3 Uhr nachmittags ins Kultusministerium bestellt (Sûreté?) [die französische Sicherheitspolizei], wo mich der damalige Kultusminister Dr. Emil Straus in einem Gespräch unter vier Augen (er hatte meine Studienunterlagen bereits vor sich liegen) ohne Umschweife wissen ließ, dass man ein Reifezeugnis wie das meinige normalerweise nicht anerkenne. Mein Einwand, dass ich der einzige Saarländer bei diesem Abiturkurs gewesen sei, fruchtete nichts – das sei belanglos. Ich leitete aus diesem Versuch der Einschüchterung die feste Absicht ab, nach besten Kräften Verhältnisse schaffen zu helfen, die dergleichen ein und für allemal unmöglich machen sollten.1

 

Anmerkungen

  1. Die Erinnerungen hat Hermann Weiand 2002 für das Universitätsarchiv verfasst.; Zitat aus Müller, Impressionen, S. 34f.