Mensch und Umwelt
Mensch und Umwelt – Besiedlungsgeschichte, Kulturlandschaftsgenese und sozialer Wandel im Umfeld des Oppidums „Hunnenring“ von Otzenhausen (Lkr. St. Wendel)
Im Zentrum der seit 2006 laufenden landschaftsarchäologischen Forschungen im Hochwald steht die Frage nach potentiellen Wechselwirkungen zwischen dem Naturraum und seinen Ressourcen einerseits und menschlichem Kulturschaffen andererseits. Unter Einbindung interdisziplinärer Partner aus den Naturwissenschaften untersucht das Projekt wesentliche Aspekte der Genese und Entwicklung einer peripheren Kulturlandschaft. Von archäologischer Seite liegt dabei ein besonderer Fokus auf der diachronen Erfassung von Siedlungsstrukturen und Besiedlungsentwicklungen – von keltischer Zeit bis in das Mittelalter, punktuell bis in die frühe Neuzeit. Betrachtet werden die Mechanismen der Herausbildung früher Zentren, ihre potentiellen Funktionen bzw. ihre Komplexität sowie grundlegende gesellschaftliche Indikationen. Soziale Kristallisationsprozesse lassen sich anhand von Grabfunden und ihrer Beigabenausstattung nachvollziehen. Diese spiegeln die Entstehung einer Oberschicht bereits in keltischer Zeit, deren Funktion und Organisation nur vor dem Hintergrund von Siedlungsorganisation und Territorialität zu verstehen ist. Das Projekt untersucht die Mechanismen hinter diesen Entwicklungen und vollzieht nach, wie und durch welche Einflüsse sich die Besiedlungsstrukturen in römischer Zeit und bis in das Mittelalter hinein veränderten und wo wir ggf. aus welchem Grund Kontinuitäten erwarten dürfen. Auch wirtschaftsarchäologische Fragen und die Entwicklung der regionalen Infrastruktur sind daher wichtige Forschungsschwerpunkte. Archäobotanische Forschungen z.B. bieten diachrone Einblicke in die Vegetationsgeschichte des Hochwaldes und Subsistenzstrategien der lokalen Bevölkerung, mit Hilfe geomorphologischer Studien lassen sich Rückschlüsse auf anthropogene Eingriffe in die Landschaft ziehen. Geologisch-mineralogische Forschungen widmen sich der Erfassung natürlicher Ressourcen und beleuchten ihre Nutzungsgeschichte sowie technologische Aspekte. Auch spezialisiertes Handwerk bzw. technische Aspekte der Produktion erlauben Rückschlüsse auf grundlegende gesellschaftliche Organisationsformen, der Gesellschaft als Träger solcher Industrien.
Zwischen 2006 und 2011 lag der Projektschwerpunkt zunächst auf einer Rekonstruktion der Verhältnisse in keltischer Zeit. In fünf Grabungskampagnen konnten Entstehung, Besiedlungsentwicklung und struktureller Wandel des Oppidums „Hunnenring“ und seiner Vorgängerbefestigung untersucht und in Studien zu seinem Umfeld eingebettet werden (Abb. 1). Jüngst gelang in Oberlöstern und Hermeskeil der Nachweis eines siedlungsstrukturellen Wandels im Laufe der Stufe LT D2, in dessen Zuge unbefestigte dorf- und weilerartige Siedlungen – in der Region bislang völlig unbekannte Siedlungstypen – neu entstanden. Dieser Prozeß scheint mit dem Niedergang des spätkeltischen Zentralortes „Hunnenring“ einhergegangen zu sein. Ob vielleicht sogar ein direkter Zusammenhang mit den Ereignissen des Gallischen Krieges bestehen könnte (siehe Projekt Militärlager Hermeskeil), bleibt künftig zu klären.
Seit 2010 rückte die Frage nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten in römischer Zeit in den Fokus. Es konnte der Nachweis erbracht werden, dass die kleinstädtischen Siedlungen der Römerzeit eine territoriale Gliederung widerspiegeln, welche unmittelbar aus den Verhältnissen der keltischen Epoche hervorgegangen sein muss. Die Forschungen widmeten sich z.B. dem vicus Schwarzenbach-Spätzrech als Nachfolgesiedlung des Oppidums „Hunnenring“ mit seinem bedeutenden Kultbezirk des Mars-Cnabetius (Abb. 2). In Hermeskeil gelang der Nachweis einer weiteren, bis dato unbekannten kleinstädtischen Siedlung, die ihre besondere Bedeutung der verkehrsgünstigen Lage an einem antiken Wegekreuz verdankt. Zudem eröffnen Forschungen in Oberlöstern neue Einblicke in die ländliche Besiedlung der Römerzeit wie auch Prozesse infrastrukturellen Wandels.
Diese wirken sich letztlich auch auf ein Verständnis der Verhältnisse im Mittelalter aus. Im Rahmen des Projektes gelang die Erforschung einer karolingischen Turmburg auf dem Söterberg bei Schwarzenbach, die erneut von Kontinuitäten territorialer Muster seit keltischer Zeit zeugt (Abb. 3). Auch in den Tälern von Löster und Wadrill konnten mittelalterliche Turmburgen neu entdeckt bzw. erstmals archäologisch erforscht werden. Hier soll künftig ein Forschungsschwerpunkt des Projektes liegen. Ein wissenschaftliches Novum ist zudem die interdisziplinäre Erforschung der frühneuzeitlichen Eisenhüttenindustrie des Hochwaldes. Im Fokus standen 2010-2011 die bauliche Entwicklung der Hubertushütte bei Bierfeld, prozeßtechnische Aspekte, die Lokalisierung der Rohstofflagerstätten wie auch soziale Entwicklungen in Zusammenhang mit der Entstehung dieses Industriezweiges. Die für eine Eisengewinnung in der Region immer wieder vermuteten Kontinuitäten seit keltischer Zeit konnten nicht bestätigt werden. Dies gelang allerdings für die Ressource Stein am Beispiel der Reib- und Mühlsteinbrüche von Oberlöstern. Hier konnte seit dem 4. Jh. v. Chr. über die römische Epoche, das Hochmittelalter bis in die Neuzeit eine Nutzung des anstehenden Rotliegendkonglomerats für die Produktion von Napoleonshüten (Reibsteinen) in der Frühlatènezeit (Abb. 4), Handmühlen seit der Spätlatènezeit und Kraftmühlsteinen in der Neuzeit nachgewiesen werden.
Die landschaftsarchäologischen Forschungen in der Hochwaldregion werden von der Universität Mainz gefördert, von 2008 bis 2016 beteiligte sich die Gemeinde Nonnweiler an der Finanzierung, von 2010 bis 2018 die Stadt Wadern und 2012 auch die Stadt Hermeskeil. Einige der Geländekampagnen wurden mit Unterstützung des Staatlichen Konservatoramtes (heute Landesamt für Denkmalpflege des Saarlandes) durchgeführt, ebenso der GDKE, Außenstelle Trier. Aus dem Projekt sind die DFG-geförderten Forschungen zum spätrepublikanischen Militärlager Hermeskeil hervorgegangen. Die Ergebnisse fließen ferner in den Verbund zur Erforschung der antiken Kaiserresidenz Trier ein, hier mit besonderem Fokus auf den Übergang zwischen Römerzeit und Frühmittelalter.
Interdisziplinäre Projektpartner
Archäobotanik: Dr. Margarethe König (Institut für Altertumswissenschaften, Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz); Dr. Julian Wiethold (INRAP, Metz, bis 2010)
Bodengeographie / Biomarker: Dr. Jago J. Birk (Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Univ.-Prof. Dr. Sabine Fiedler (Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Geoinformatik und Vermessung (bis 2014): Prof. Dr.-Ing. Hartmut Müller und Dipl.-Geogr. Silke Boos (i3mainz, Hochschule Mainz)
Geologie / Mineralogie: Dr. Andreas Kronz (Geowissenschaftliches Zentrum, Abt. Geochemie, Georg-August-Universität Göttingen)
Geomorphologie (bis 2010): apl. Prof. Dr. Christian Stolz (Europa-Universität Flensburg)
Geophysik (bis 2016): Dr. David Jordan und Dr. Pascal Brengel (Institut für Geowissenschaften, Universität Mainz)
Isotopie (bis 2010): Prof. Dr. Wolfgang Wilcke (Geographisches Institut, Universität Mainz)
Weiterführende Literatur
S. Hornung T. Lang / S. Schröer / A. Lang / A. Kronz, Mensch und Umwelt III – Studien zur ländlichen Besiedlung der Region um Oberlöstern (Lkr. Merzig-Wadern) in gallo-römischer Zeit. Univ.forsch. Prähist. Arch. 326 (Bonn 2019).
S. Hornung, Siedlung und Bevölkerung in Ostgallien zwischen Gallischem Krieg und der Festigung der römischen Herrschaft – Eine Studie auf Basis landschaftsarchäologischer Forschungen im Umfeld des Oppidums „Hunnenring“ von Otzenhausen (Lkr. St. Wendel). Röm.-Germ. Forsch. 73 (Mainz, Darmstadt 2016).
S. Hornung / P. Brengel / M. König / D. Burger / A. und T. Lang / M. Smettan / A. Kronz, Mensch und Umwelt II – Vom Oppidum „Hunnenring“ bei Otzenhausen zum römischen Tempelbezirk und vicus „Auf dem Spätzrech“ bei Schwarzenbach, Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel. Univ.forsch. Prähist. Arch. 289 (Bonn 2016).
S. Hornung (Hrsg.), Mensch und Umwelt I - Archäologische und naturwissenschaftliche Forschungen zum Wandel der Kulturlandschaft um den „Hunnenring“ bei Otzenhausen, Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel. Univ.forsch. Prähist. Arch. 192 (Bonn 2010).
S. Hornung / T. Lang, Der Söterberg bei Schwarzenbach (Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel) – Eine Kleinburg der Karolingerzeit. In: S. Matzerath / G. von Büren (Hrsg.), Steinerne Macht. Burgen, Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland. Kat. Saarbrücken (Regensburg 2020) 124-129.
S. Hornung / A. Zawadzka, A little bit of history reconstructed – new evidence on the provenance of the Abentheuer carnyces (Lkr. Birkenfeld) and their historical context. Bonner Jahrb. 217, 2017 (2019), 55-93.
S. Hornung, Zur Problematik einer Datierung montanarchäologischer Relikte – aktuelle Forschungen zu den Reib-, Mühl- und Bausteinbrüchen von Oberlöstern. Denkmalpfl. Saarland Jahresber. 2017 (2018), 72-78.
A. Lang / S. Hornung / A. Braun / T. Lang / D. Rieth, Die villa rustica von Oberlöstern – Ergebnisse der Untersuchungen zwischen 2011 und 2016. Jahresber. Denkmalpfl. Saarland 2016 (2017), 34-40.
S. Hornung, Der Hunsrück - eine Landschaft mit Geschichte. Jahrb. Hunsrückver. 2018 (2017), 80-85.
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S. Hornung, Le « Hunnenring » d’Otzenhausen, district de St Wendel, Sarre – Recherches actuelles sur l’historique de l’occupation, la genèse du paysage culturel et les transformations sociales. In: M. Schönfelder / S. Sievers (Hrsg.), L’âge du Fer entre la Champagne et la vallée du Rhin. 34e colloque international de l’Association Française pour l’Étude de l’âge du Fer du 13 au 16 mai 2010 à Aschaffenburg. RGZM-Tagungen 14 (Mainz 2012) 183-216.
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