Forschungsprojekt Euro-Betriebsräte
Die Rolle Europäischer Betriebsräte in der Bewältigung der Wirtschaftskrise, am Beispiel Ford Europe
Antragsteller:
Dr. Luitpold Rampeltshammer, KoWA
Projektbearbeitung:
Valentina Mählmeyer, KoWA, v.maehlmeyer(at)mx.uni-saarland.de
Zielsetzung:
Die Fallstudie untersucht am Beispiel des Europäischen Ford Betriebsrates (EFB) die Auswirkungen der Wirtschaftskrise (2008-2010) auf die Handlungsfähigkeit der Europäischen Betriebsräte im entstehenden System europäischer Arbeitsbeziehungen. Der Mehrebenen-Ansatz gibt den Rahmen für die Analyse des festgestellten euro-, poly- bzw. ethnozentrischen solidarischen Handelns involvierter Akteure vor.
Europäische Betriebsräte sind ein integrales Bestandteil des Mehrebenensystems der europäischen Arbeitsbeziehungen. Unter Annahme der Mehrebenenbeziehungen, die die Komplexität des Handelns im EBR-Rahmen verdeutlichen, sind unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene möglich. Die Interaktions- und Aushandlungsformen folgen unterschiedlichen Logiken und sind in einigen Fällen komplementär zu den jeweiligen nationalen Aushandlungsarenen, in anderen Fällen jedoch werden neue Akteure und Interaktionsformen geschaffen. Es wird aus der Perspektive der involvierten Arbeitnehmerinteressenvertreter mithilfe der entwickelten Variablen (d.h. die Organisations- und Handlungsfähigkeit des EBR unter Annahme eines Organisations- und Handlungsbedarfs) den Prozessen und Strukturen nachgegangen, die eine Entwicklung des solidarischen Handelns im EBR-Rahmen während einer herausfordernden Situation wie die Wirtschaftskrise vorantreiben oder auch verhindern können.
Forschungsfragen:
Am Beispiel der Bewältigung der Wirtschaftskrise im EFB, der als erstes Gremium in der Automobilindustrie Verhandlungen mit dem Management geführt hatte und zu den aktivsten EBRs zählt, gehen die Autoren der Frage nach, inwiefern und vor allem wie die EBR-Mitglieder die Kluft zwischen dem Vorrang nationaler Interessen auf der einen Seite und der Fortentwicklung des europäischen Denkens und Handelns auf der anderen Seite überwinden.
– Welchen Zwängen unterliegen die Handlungen nationaler Arbeitnehmerinteressenvertreter auf europäischer Ebene?
– Inwiefern lässt sich ein durch einzelne EBR-Mitglieder subjektiv wahrgenommener Organisationsbedarf in einen kollektiven Handlungsbedarf im EBR-Rahmen umsetzen?
– Welche Auswirkungen hatte die Wirtschaftskrise auf die Zusammenarbeit im EBR-Rahmen?
Untersuchungsmethoden:
Die Schlussfolgerungen der vorliegenden qualitativen Einzelfallstudie basieren auf einer extensiven Dokumentenanalyse und auf insgesamt 15 leitfadengestützten Experteninterviews mit den EBR-Mitgliedern und Gewerkschaftsvertretern, die zwischen 2010 und 2011 durchgeführt wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung stützen sich außerdem auf die Erkenntnisse einer nicht-teilnehmen Beobachtung während einer arbeitnehmerinternen EFB-Sitzung im Frühling 2010.
Darstellung der Ergebnisse:
– Die EBR-Mitglieder sehen die zentrale Funktion des EFB in der Vermittlung von Informationen und in der Organisation von Konsultationen mit dem Management (Organisationsbedarf) und verlassen sich größtenteils auf die Organisationsfähigkeit nationaler Gremien der Interessenvertretung. Die europäische Ebene dient dagegen als „Mittel zum Zweck“.
– Trotz der in der Vergangenheit nachgewiesenen Handlungsfähigkeit des EFB wurde kaum Handlungsbedarf auf der europäischen Ebene festgestellt. Der Grund dafür ist u.a. die von den Interviewten bemängelte Ausstattung der EBRs mit den Mitbestimmungsrechten. Eine Übertragung eines Teils der Handlungskompetenz von der nationalen auf die europäische Ebene lehnen die EBR-Mitglieder kategorisch ab.
– Die Wirtschaftskrise hatte die Abhängigkeitsverhältnisse und auf lange Sicht die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene verdeutlicht. Zugleicht wurde aber das überwiegend ethnozentrische Handeln der EBR-Mitglieder durch ein starkes Konkurrenzdenken und Standortegoismen geprägt. Eine Bündelung nationaler Interessen mit denen weiterer Unternehmensstandorte scheiterte häufig an Misstrauen und geringer Kooperationsbereitschaft.