Gespenster und Wiedergänger in der Musik
Tabea Umbreit (Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Musikwissenschaft)
Im Zeitalter der Aufklärung bemühte man sich um eine umfassende Rationalisierung der Lebenswirklichkeit. Die sogenannte „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) ging durch die Verbannung des „Anderen der Vernunft“ (H. & G. Böhme) von statten, zu dem insbesondere der Aberglaube und sein Personal zählte. Doch je mehr Gestalten wie Gespenster und Wiedergänger aus dem Alltag verschwanden, desto mehr hielten sie Einzug in die Kunst. Ob ernsthaft, parodistisch, oder als Täuschung eingesetzt, derlei Gestalten faszinieren uns offenkundig bis heute. Zentral hierfür ist ihr Grenzgängertum, ihre Verortung zwischen unserer Welt und einem unbekannten Jenseits. Um diese Eigenschaft darzustellen, entwickelte jede Kunst ihre eigenen Strategien, wie etwa den Einsatz von Doppelbelichtung in der Fotografie und im frühen Film, um Gespenster als durchsichtig zu zeigen. Ich gehe in meiner Dissertation der Frage nach, wie sie klingen:
Wie vertonten Komponist*innen Gespenster und Wiedergänger, und warum? Auf der Suche nach musikalischen Topoi und originellen Einzelfällen analysiere ich gattungsübergreifend Werke aus dem Zeitraum 1800 bis heute. Erste Ergebnisse aus dieser Arbeit und das Vorgehen dabei sollen nun vorgestellt und diskutiert werden.
Tabea Umbreit studierte Musik- und Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist und bei Prof. Hartmut Schick promoviert. Ihr kulturhistorisch motiviertes Forschungsinteresse zielt dabei auf intermediale Gattungen ab dem 19. Jahrhundert, insbesondere die Oper. Umbreit war zuvor wissenschaftliche Hilfskraft bei der Kritischen Ausgabe der Werke von Richard Strauss und ist als Herausgeberin für den G. Henle Verlag tätig.