Sein Gebiet ist die Mathematik von morgen. Wenn die Quantenphysik in Zukunft Fortschritte macht, schlägt für seine Erkenntnisse die Stunde: Moritz Weber, neuer Heisenberg-Professor der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Saar-Universität, betreibt Grundlagenforschung im Bereich der Quantengruppen an der Schnittstelle von Analysis, Algebra und Kombinatorik. Er erforscht Quantensymmetrien und begibt sich dabei auch auf die Spur der Quanteninformationstheorie und der freien Wahrscheinlichkeit.
In der Welt der Quanten gelten andere Regeln. Die physikalischen Gesetze, die wir aus unserer Größenordnung kennen, sind hier außer Gefecht gesetzt: etwa wie sich Dinge fortbewegen oder wo sie sind. In den subatomaren Sphären der Quanten kann ein „Etwas“ zugleich an zwei Orten sein. Der Zufall spielt hier eine große Rolle. Alles ist nicht so berechenbar wie wir es kennen – oder doch? „Die Mathematik kann die Welt der Quanten sehr wohl beschreiben helfen“, sagt Moritz Weber. Mit dieser Mathematik befasst er sich. Für ihn wird es interessant „an dem Punkt, wo sich die Mathematik von ihrer Natur als Werkzeugkasten für die Naturwissenschaften trennt und zu einer eigenen Wissenschaft wird“, wie er es ausdrückt. Weber promovierte in Münster, kam bereits 2010 als Wissenschaftler an die Universität des Saarlandes. Seit 2015 lehrte und forschte er hier als Juniorprofessur und jetzt – nachdem ihn die DFG in das Heisenberg-Programm für exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs aufgenommen hat – tritt der 39-Jährige seine Heisenberg-Professur an.
Es gibt noch sehr viele Unbekannte in der „Gleichung“ des Quantenkosmos. Weber arbeitet daran, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Er forscht auf dem Gebiet der Quantenmathematik, um Werkzeuge für die Theorien zu finden, die sich mit den Phänomenen der Quanten beschäftigen – im weitesten Sinne. Einen Fokus legt er dabei auf Symmetrien. „Die heutige Quantenphysik versteht die Symmetrien der Quantenwelt noch nicht ganz“, erklärt er. Symmetrien spielen aber eine große Rolle, um diese Welt verstehen zu lernen, was wiederum Voraussetzung dafür ist, um beispielsweise Quantencomputer, die Supercomputer der Zukunft, zu bauen.
Mit Symmetrien lassen sich Dinge unterscheiden und charakterisieren. Und mit ihnen können Räume beschrieben werden. „Ein prominentes Beispiel in unserer Alltagswelt ist der Schmetterling: Spiegelt man ein Bild eines perfekten Schmetterlings an der Achse entlang seines Körpers, so ergibt sich wieder das gleiche Bild - er ist symmetrisch. Ebenso verhält es sich bei Quadraten oder Rechtecken“, erklärt Weber. Weil ein Quadrat aber eine andere Symmetrie als ein Rechteck oder ein Schmetterling hat, lassen sie sich unterscheiden. „In der Mathematik erfassen wir die Symmetrie in Gruppen: Man kann etwa ein Dreieck zuerst an einer seiner Symmetrieachsen spiegeln, dann an einer anderen, und die Zusammensetzung dieser beiden Abbildungen beschreibt ebenfalls eine Symmetrie des Dreiecks: eine Drehung. Diese Menge an Symmetrien macht sie zu einer Gruppe und anhand dieser Gruppe können wir Symmetrien von klassischen Räumen erfassen“, erklärt der Mathematiker. Aber er geht nun über diese Gruppen hinaus: zu Quantengruppen. „Wir wollen den Übergang von Räumen zu Quantenräumen, von Gruppen zu Quantengruppen und von Symmetrie zu Quantensymmetrie erklären, indem wir einen analytischen Ansatz verfolgen“, erläutert der Mathematiker.
Dabei leistet er Vorarbeit für die Experimente der Zukunft. Während die Reihenfolge in unserer Welt oft keine Rolle spielt, ist das bei Quanten anders: „In unserer Welt ist fünf mal drei dasselbe wie drei mal fünf. In der Quantenwelt ist die Reihenfolge dagegen alles andere als egal“, sagt Moritz Weber. So auch die Reihenfolge bei einem Quantenexperiment. So beeinflusst zum Beispiel die Messung ein Ergebnis. „Auf atomarer Ebene macht es einen Unterschied, ob zuerst die Position und dann der Impuls gemessen wird - oder andersherum. Tatsächlich verändert die erste Messung den Zustand des Systems, das man zu messen versucht, was als Heisenbergsche Unschärferelation bekannt ist“, erklärt Weber. Werner Heisenberg, der berühmte Namensgeber des DFG-Programms, in das er jetzt aufgenommen wurde, hatte diese Gesetzmäßigkeit der Quantenphysik als Erster formuliert. Mit seinen mathematischen Modellen versucht Weber dazu beizutragen, dies vorhersehbar, erklärbar und verständlich zu machen. „Auf lange Sicht ist unser Ziel, der Quantenphysik zu helfen, Experimente zu modellieren und außerdem auch zu verstehen, warum ein Experiment klappt oder nicht“, erläutert er.
Für diese Art der Mathematik nutzt Moritz Weber selten Zahlen und schon gar keinen Taschenrechner. Er denkt in Modellen und Strukturen, in Form von Bildern, Symbolen, Diagrammen, Analogien, um nach bestimmten Regeln Muster zu erzeugen und zurückzuübersetzen. Das verschafft ihm eine andere Perspektive – auch mit Blick auf andere Fächer. „Es kommt schon vor, dass man durch den anderen Blickwinkel, mit dem die Mathematik die Dinge betrachtet, neue Einblicke schafft“, sagt er. Daher will er verstärkt außer mit den Quantenforscherinnen und -forschern unter anderem auch mit der Informatik zusammenarbeiten.
Eine konkrete Anwendung für seine Form der Mathematik gibt es derzeit – noch – nicht. Sein Gebiet ist die Grundlagenforschung, ein „gutes Stück weit Elfenbeinturm“, betont Moritz Weber. „Es geht um die Frage an sich. Und dafür braucht man bisweilen einen langen Atem. Wenn man immer nur nach der sofortigen Verwendbarkeit fragt, verstellt man sich den Blick.“ Die Fragen, auf die Weber die Antworten sucht, stellen sich mitunter erst in Zukunft. Seine Erkenntnisse sind ihrer Zeit voraus. „Die Quantenphysik ist derzeit noch nicht an dem Punkt angekommen, wo sie das nutzen kann, was wir erforschen“, sagt er. Aber wenn sie an dem Punkt ankommt, schlägt seine Stunde.
Das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist benannt nach dem Physiker Werner Heisenberg, der mit 31 Jahren den Nobelpreis für Physik erhielt. Das sehr prestigeträchtige Programm dient der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und richtet sich an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die alle Voraussetzungen für die Berufung auf eine dauerhafte Professur erfüllen.
Zur Person:
Moritz Weber studierte in Münster, wo er 2011 promovierte (sein Doktorvater-Stammbaum lässt sich auf Heisenberg zurückführen, so dass er akademisch dessen Abkömmling ist: https://www.mathgenealogy.org/id.php?id=169593 – jeweils über "Advisor" hochklicken). Nachdem Weber bereits seit 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes tätig war, übernahm er hier 2015 eine Juniorprofessur. 2016 verlieh ihm die saarländische Landesregierung den Landespreis Hochschullehre für sein ehrenamtliches Engagement, Mathe-Kenntnisse von Flüchtlingen aufzufrischen, die studieren wollen. Hieraus ist auch ein arabisch-deutsches Mathe-Lehrbuch hervorgegangen. (Artikel im Webmagazin campus hierzu)
Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Grundlagenforschung im Bereich der Quantengruppen an der Schnittstelle von Analysis, Algebra und Kombinatorik: Sein Ziel ist es, Quantensymmetrien in unterschiedlichen Kontexten zu untersuchen, etwa von Graphen. Dabei treten Querverbindungen unter anderem zur Quanteninformationstheorie sowie der freien Wahrscheinlichkeitstheorie auf. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Funktionalanalysis, Operatoralgebren sowie der Einsatz von Methoden aus der Computeralgebra. Weber will an der Universität des Saarlandes zur Entwicklung einer Quantenmathematik beitragen, die mathematische Werkzeuge für die Theorien bereitstellt, die sich mit Phänomenen der Quantenphysik im weitesten Sinne beschäftigen.
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Moritz Weber, T: 0681-302-2556, E-Mail:
Pressefotos zum Download:
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