Dinge

Wahl-Notiz

Der erst kürzlich in einem Tresor des Präsidialamts aufgefundene, auf den ersten Blick unscheinbare und offenbar aus einem Schreibblock ausgerissene Zettel dokumentiert das Ergebnis einer bedeutenden Abstimmung der Universitätsgeschichte: Nach langwierigen, anfangs harmonischen und später immer konfrontativeren Beratungen verabschiedete das Konzil am 18. November des hochschulpolitisch brisanten Umbruchjahres 1968 in einer dramatischen Sitzung eine neue Universitätsverfassung.

Diese sah Reformen vor, ging den protestierenden Studierenden aber nicht weit genug. Wegen befürchteter Störungen war die Sitzung kurzfristig in das neu errichtete Anatomische Institut nach Homburg verlegt und zudem vorsorglich Polizeischutz angemeldet worden. Dennoch kam es zu massiven Handgreiflichkeiten zwischen Protestierenden und Professoren. Das 108 Ordinarien, dreizehn Nicht-Ordinarien und acht Assistenten umfassende Konzil billigte die Reformvorlage schließlich mit 123 Ja-Stimmen, drei Enthaltungen und drei Nein-Stimmen, wobei sich die beiden Studentenvertreter nicht an der Abstimmung beteiligt hatten.

Das Ergebnis der Auszählung der Stimmzettel wurde notiert und von drei Konzils-Mitgliedern abgezeichnet: dem außerplanmäßigen Chemie-Professor Walter Walisch, dem Philosophie-Assistenten Frieder Otto Wolf und dem Jura-Professor Hans Friedrich Zacher. Wolf wurde später Philosophie-Professor und Europa-Parlamentarier für die Grünen, Zacher war der geistige Vater des drei Jahre später verabschiedeten neuen Universitätsgesetzes.1

Wolfgang Müller / Thilo Offergeld