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Der Physikturm

Als das Hochhaus für die Physikalischen Institute 1967 nach vierjähriger Bauzeit fertiggestellt wurde, setzte es mit seinen 58 Metern Höhe ein deutliches Zeichen: Der Turm der Universitätsbibliothek, der bis dahin die Campus-Silhouette dominiert hatte, war damit „als höchstes Gebäude der Uni entthront“, wie die Saarbrücker Zeitung meldete. Für lange Zeit prägten seither Physikturm und Bücher-Turm die Uni-„Skyline“, bevor ab 2005 zunächst der Science Park II und dann die beiden Scheer Towers ebenfalls in die Höhe strebten und damit nun ein Turm-Quintett auf dem Campus bilden.1

Dem vertikalen Akzent des Physikturms korrespondiert, wie bei der Bibliothek, ein langgestreckter horizontaler Gebäudeteil, in dem Hörsäle und Versuchslabore untergebracht sind. Beide Baukörper bilden zusammen mit den etwa gleichzeitig entstandenen Chemie-Gebäuden und der in jüngerer Zeit hinzugefügten Bereichsbibliothek einen U-förmigen, verkehrsfreien Platz, der zugleich als zentraler Eingangsbereich dient. Das weiträumige Erdgeschoss des Turms präsentiert sich innen mit hell gekachelten Wänden und Marmorplatten-Fußböden, insgesamt herrschen Grau- und Grüntöne vor. Ebenso im Innenhof, dessen Schauwand zwei Aluminiumreliefs von Wolfgang Gross-Mario aus dem Jahr 1989 vorgelagert ist. Die „kubistisch anmutende“ Plastik wirkt durch ihre Licht- und Schatteneffekte und knüpft damit an die bereits 1962 von Liselotte Netz-Paulik geschaffene Reliefarbeit an der zum Platz zeigenden Außenwand an. Dieses monumentale, zwanzig Meter breite Betonrelief scheint geometrische Flächen zu schichten oder zu falten und damit die „strenge, monotone Gliederung“ der umliegenden Architektur spielerisch zu kommentieren oder zu variieren.2

Der Turm selbst steigt auf einer Breite von 14 mal 33 Metern dreizehn Stockwerke in die Höhe. Um stabile Verankerungen für Apparaturen auch in den oberen Etagen zu gewährleisten, war der Bau eigens statisch verstärkt worden. Auch versuchte man mit Blick auf physikalische Versuche die Temperatur im Inneren möglichst konstant zu halten, indem man sich an der Südseite auf kleine Belüftungsfenster beschränkte. Das Gebäude wurde 1967 mit modernster Technik ausgestattet. So nahm etwa ein spezieller „Physikbunker“ besonders schwere Apparaturen auf. Auch auf dem Dach des Turms sollte unbeeinflusst von anderen Gebäuden geforscht werden können; ursprünglich war sogar vorgesehen, den Luftraum zwischen Physikturm und Bibliotheks-Turm für physikalische Messungen zu nutzen und dabei auch den Schwarzenbergturm einzubeziehen. Für akustische Versuche dienten Hall- und Schallräume, die heute nicht mehr existieren, aber beeindruckende Bedingungen boten: Der Hallraum war komplett mit Kupferblech ausgekleidet, so dass noch das winzigste Geräusch einen deutlichen Nachhall erzeugte, während man im schalltoten Raum, der mit genopptem Schaumstoff umkleidet war, selbst den Abschuss einer Feuerwaffe nur sehr leise gehört haben soll. Zur Temperatur-Isolierung war auf den Flachdächern der Tiefbauten anfangs eine acht Zentimeter hohe Wasserschicht aufgebracht, diese wurde allerdings wegen Bauschäden bald wieder beseitigt.3

Von 2012 bis 2015 fand eine großangelegte Sanierung des Gebäudes statt, bei der die technische Nutzung, vornehmlich aus Brandschutzgründen, fast vollständig aus den Turmgeschossen ausgelagert wurde. Inzwischen sind hier Abteilungen verschiedener Fächer vorwiegend mit Büro- und Arbeitsräumen untergebracht. Die gravierende Nutzungsänderung stellt wiederum eine Parallele zum Bibliotheksturm dar, der kurz zuvor in ähnlicher Weise vom Bücher- zum Bürogebäude umfunktioniert worden war. Bei der Sanierung des Physikturms wurden sämtliche Fassaden energetisch optimiert, was auch eine Verkleidung der bis dahin 60er-Jahre-typisch „nackten“ Betonflächen mit sich brachte. Durch die Erneuerung der Bodenfläche auf dem Vorplatz und den Einbau von Ruheplätzen hat das Ensemble insgesamt an Attraktivität gewonnen und strahlt nun eine zurückhaltende, ansprechende Modernität aus.4

Ute E. Flieger / Thilo Offergeld

 

Anmerkungen

  1. SZ, 23.11.1964.
  2. Grewenig, Wandplastik, S. 40f. (erstes Zitat); Everinghoff, Dokumentation, S. 109; Dittmann, Wandgestaltung, S. 116f.; Everinghoff, Dokumentation, S. 123 (zweites Zitat).
  3. SZ, 23.11.1964; SZ, 30.11.1967; für ergänzende Hinweise Dank an Alois Etringer (Facility Management, UdS).
  4. Decker, Baubeschreibung; für nähere Informationen Dank an Dominikus Tiator (Campusentwicklung und Baumanagement, UdS).