Fokus

Der Name der Uni

Die „Universität des Saarlandes“ trägt einen einfachen Namen, der auf den ersten Blick selbstverständlich wirkt und selbst vor dem aktuellen Hintergrund kontroverser Debatten über Universitätsnamen wenig abzuwerfen scheint. Neben der Gattungsbezeichnung „Universität“ ist lediglich der Name des Bundeslandes genannt, das als ihr Träger fungiert und dessen einzige Universität sie ist. Doch ist genau dies bemerkenswert. Keine andere der deutschen Universitäten, die doch alle gemäß föderalem Prinzip in der Zuständigkeit der Länder liegen, führt ausschließlich ihr Bundesland im Namen. Man mag auf Hamburg und Bremen als Parallelbeispiele verweisen, doch bezieht sich in beiden Fällen der Name auf die Stadt als Standort, das häufigste Modell universitärer Namengebung seit 1945. Erst in jüngster Zeit kamen mit den Universitäts-Fusionen in Kaiserslautern und in Cottbus vergleichbare, jedoch nicht identische Namensformen mit Bundesland-Bezug hinzu. Die Singularität ist sicher ein Reflex der Sondersituation des Saarlandes, das 1948 eben nicht nur ein Bundesland, sondern ein teilautonomer Staat war und zudem nur eine einzige Universität einrichtete. Bis heute drückt jedenfalls der Name der Saar-Universität eine enge und ausschließliche Beziehung zwischen Land und Hochschule aus, die in dieser Form einzigartig ist.1

Auch der Namensbestandteil „Saarland“ erscheint aus historischer Perspektive bemerkenswert, denn er stellte zur Zeit der Universitätsgründung noch keineswegs die selbstverständliche Landesbezeichnung dar. Als die Region an der Saar 1919/20 durch den Versailler Vertrag als politisches Gebilde geschaffen wurde, firmierte sie als „Saargebiet“. Erst bei der Rückgliederung ins Deutsche Reich 1935 erhielt dann der Name „Saarland“ offiziellen Charakter – wohlgemerkt unter nationalsozialistischen Vorzeichen, so dass nach dem Krieg unter alliierter Herrschaft zunächst alternative Bezeichnungen wie „Saar“ und „Saargebiet“ wieder auftauchten. Doch der „Saarland“-Name hatte sich offenbar zwischenzeitlich eingebürgert; aus französischer Sicht gewann er im Sinne der betonten Eigenständigkeit des „Saar-Lands“ gegenüber „Deutsch-Land“ sogar an Attraktivität. Dagegen wurde im bundesdeutschen Sprachgebrauch an der Bezeichnung „Saargebiet“ demonstrativ festgehalten, um den provisorischen Charakter dieses Gebildes zu unterstreichen und „ihm den Staatscharakter abzusprechen“ (W. Laufer). Die skeptische Haltung, mit der die bundesdeutschen Stellen in den frühen Jahren der Saar-Universität begegneten, war insofern auch eine Reaktion auf ihren Namen. Hinzu kam, dass die offizielle Bezeichnung der saarländisch-französisch konzipierten Universität bei ihrer Gründung natürlich zweisprachig lautete: „Universität des Saarlandes – Université de la Sarre“.2

Die Zweisprachigkeit war eine Besonderheit, auf die die junge Hochschule stolz war, die aber auch manche Schwierigkeiten aufwarf. Um einen politisch neutralen Mittelkurs zwischen dem Deutschen und dem Französischen steuern zu können, griff man daher auf das Lateinische als klassische Bildungssprache der Universitäten zurück und bezeichnete die Uni vor allem in Siegeln und Logos, wo Kürze gefragt war, als „Universitas Saraviensis“. Diese Formulierung erschien auch in dem 1955 eingeführten, in veränderter Form bis heute verwendeten Signet, als Umschrift um die zentrale Bildfigur der Eule.3

Jahrzehnte später wurde der philologische Einwand erhoben, dass „Saraviensis“ im Lateinischen jemanden bezeichne, der im Saarland tätig ist oder mit dem Saarland in Beziehung steht, nicht aber eine Person, die aus dem Saarland stammt, der richtige Begriff sei daher „Universitas Saravica“.4

Die Anregung der Philologen blieb ohne große Resonanz. Dagegen gewann die Namensfrage an politischer Bedeutung, als nach der Saarabstimmung von 1955 und dem ▶ Wechsel der Universität ins deutsche System auch der Universitätsname neu zur Debatte stand. Dass der französische Namensbestandteil nun wegfiel, verstand sich von selbst, das zweisprachige Schild am Haupttor wurde entfernt. Neutralere Benennungen wie „Saar-Universität“ wurden erwogen, doch nachdem die Nationalitäts-Frage ja geklärt war, richtete sich das Interesse vor allem auf geistig-kulturelle Inhalte der Benennung. Während traditionsreiche Hochschulen in ihren Namen oft auf historische Stifter-Gestalten Bezugnahmen, bot sich jüngeren Universitäten die Benennung nach bedeutenden Persönlichkeiten mit lokalem Bezug an, so in Mainz, wo die Universität 1946 nach Johannes Gutenberg benannt wurde, oder in Frankfurt, das 1932 Johann Wolfgang Goethe als Namenspatron gewählt hatte.5

Ähnliche Ideen diskutierte ein Ausschuss des Senats 1957 auch an der Saar-Uni, speziell solche, die dem christlich-restaurativen Geist der 50er Jahre  entsprachen: „Kaiser-Karls-Universität“ mit Bezug auf den Herrscher, aus dessen Reich sich sowohl Frankreich als auch Deutschland entwickelt hatten, und „Cusanus-Universität“, nach dem an der Mosel geborenen und im saarländischen St. Wendel begüterten Früh-Humanisten Nikolaus von Kues. Einige Jahre früher hatte schon Rektor Angelloz eine Namensgebung nach Peter Wust in Betracht gezogen, dem aus dem Saarland gebürtigen, in der Nachkriegszeit einflussreichen katholischen Philosophen. Nach ihm wurde später die katholische Lehrerbildungs-Akademie in Saarbrücken benannt.6

Eine Mehrheit fand sich für die Vorschläge nicht, und so blieb es letztlich bei der bisherigen Bezeichnung. Diese wurde freilich in vielen Kontexten durch den programmatischen Zusatz „Europäisch“ ergänzt, den schon Angelloz 1950 für die Saar-Universität reklamiert hatte.7

In jüngerer Zeit stellte sich mit der Bedeutungszunahme des Englischen als internationaler Wissenschaftssprache die Frage nach der Wiedergabe des Universitätsnamens im Englischen. Offiziell wurde mit Blick auf die sprachliche Prägnanz die Variante „Saarland University“ bevorzugt, aber auch diesmal wurden sprachliche Einwände erhoben: Das erste Element dieser Namensform stehe bei amerikanischen Vorbild-Universitäten wie Stanford oder Harvard typischerweise nicht für eine geographische Zugehörigkeit, sondern für den Stifter der Hochschule; richtiger sei daher „University of (the) Saarland“. Die Diskussion wird wohl noch weitergehen, zumal der eindeutigen Benennung der Universität in Zeiten automatischer Datenverarbeitung nicht mehr nur symbolische, sondern durchaus handfeste Bedeutung zukommt, etwa bei Rankings oder Daten-Analysen. Probleme wirft hier auch die in überregionalen Medien häufige Version „Universität Saarbrücken“ auf, die begreiflicherweise gerade bei Homburger Uni-Angehörigen auf Widerspruch trifft. Sie verweisen dann auf die Homburger Pionier-Rolle und haben die Pointe für sich, dass das damalige Hochschulinstitut, der Vorläufer der Saar-Uni, seine ersten Schritte nicht selten unter der Bezeichnung „Universität Homburg“ machte.8

Thilo Offergeld

 

Anmerkungen

  1. John, Symbolpolitik, bes. S. 146, 164f., 176 –182; Bode, Universitäten; Mitgliederliste HRK 2023: https://web.archive.org/web/20230604001743/https://www.hrk.de/mitglieder/mitgliedshochschulen/universitaeten/
  2. Laufer, Saarbecken, S. 3f.; zur Parallele im Sport: Harres, Sportpolitik, bes. S. 189f.
  3. Campus 31 (2001), Nr. 2, S. 6.
  4. Campus 31 (2001), Nr. 3, S. 31.
  5. Von Homburg nach Europa, 14:10–16:41 Min.; Matheus, Universität, S. 35f.; Hammerstein, Geschichte, S. 132; John, Symbolpolitik, S. 166 und 181.
  6. Müller, Erinnerungskultur, S. 242, 252 – 254; Niemann, Pressereferent, S. 271.
  7. Burg, Projekt, S. 206 mit Anm. 32; Schaefer, Universität, S. 52 und 56.
  8. SZ, 14.7.1947 und 17.4.1948; Volksstimme, 23.3.1948.