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Festsaal- und Bibliotheksgebäude Homburg

Das Festsaalgebäude der ehemaligen Pfälzischen Heil- und Pflegeanstalt, späteren Generationen als Bibliothek der Medizinischen Fakultät bekannt, nahm im Bauensemble der damaligen Krankenhausanlage eine herausgehobene Stellung ein.  Zentral gelegen am sternförmigen Zusammenlauf der Anstaltswege war es als einziges Gebäude nicht parallel, sondern in Schrägstellung in den fächerförmig angelegten Gesamtkomplex eingefügt. Als „Gesellschaftshaus“ bot es den Klinik-Angehörigen Raum für verschiedenste Formen der Freizeitgestaltung und festlicher Veranstaltungen und besaß dadurch eine besondere Bedeutung. Vor allem aber war es architektonisch das (neben der Kirche) mit Abstand am kunstvollsten gestaltete Gebäude der Anlage, als einziges durchgängig im damals noch neuen Jugendstil ausgeführt.1

Das elegante Haus, in der Grundsubstanz bis heute erhalten, zeigt sich seiner zentralen Lage entsprechend von allen vier Seiten attraktiv gestaltet, ein bandförmiger Schmuckfries umläuft den gesamten Baukörper. Die Hauptfassade zum Vorplatz prägt ein flacher, durchfensterter und ornamental geschmückter Blend-Portikus, also eine auf die Fassade aufgebrachte, gewissermaßen nur angedeutete Säulenarchitektur. Sie wird überwölbt von einem bogenförmigen Giebel, der das Baujahr 1909 anzeigt, und beidseits gerahmt durch zwei Eingänge, dem psychiatrischen Grundkonzept gemäß getrennt für Frauen und Männer. Auch die gegenüberliegende Nordseite war ursprünglich baulich akzentuiert, und zwar durch angefügte Veranden, die in Laubengänge, Gartenhof und Terrasse mit Treppen- und Brunnenanlage ausliefen.

     

    Im Inneren lagen über einem Kellergeschoss, das die technische Ausstattung aufnahm, ebenerdige Funktionsräume wie Garderobenanlagen (auch diese nach Geschlechtern getrennt), Musikzimmer, Lesezimmer und Requisitenräume. Der große, zentrale Festsaal vermittelte durch den Lichteinfall des Portikus sowie der hoch angebrachten, querovalen Fenster eine helle, einladende Freundlichkeit und war durch Wandbemalung in geschwungenen Formen opulent dekoriert. Gegenüber dem Portikus, der im Innenraum als Empore ausgearbeitet war, befand sich eine aufwendig mit Kulissentechnik und Beleuchtungsanlage ausgestattete Bühneneinrichtung mit Platz für Orchester oder Chor.

    In seiner kunstvollen, aber zurückhaltenden Würde, die bei allem architektonischen Aufwand jede Monumentalität vermied, steht das Gebäude in einer Reihe mit erstrangigen Avantgarde-Bauten seiner Zeit, etwa der Darmstädter Mathildenhöhe. Im Lauf der Jahre hat es freilich beträchtliche Änderungen erfahren, so wurden vor allem die Veranden und Laubengänge entfernt, die umgebende Gartenanlage aufgegeben.

    Auch die Nutzung als Bibliothek, welche die zurückliegenden Jahrzehnte bestimmte, brachte erhebliche Eingriffe mit sich. So wurde in den Festsaal, der als zentraler Bibliotheksraum eine zweite Nutzungsebene für Bücherregale erhalten sollte, eine umfangreiche Stahlkonstruktion eingefügt, außerdem eine hölzerne Wandverschalung angebracht. Freilich vermochte das Gebäude, innen inzwischen vielfach zergliedert und verwinkelt, weder strengeren Arbeitsschutzbestimmungen noch nutzerorientierten Lernraumkonzepten auf die Dauer zu genügen. Schon 1964 kritisierte der Wissenschaftsrat in einem Gutachten die räumliche Bibliothekssituation in Homburg als „unzureichend“ und empfahl „so bald wie möglich“ die Erstellung eines Neubaus. Doch erst im Jahre 2021 erfuhr die Bibliothek im neu errichteten Hörsaalgebäude eine neue Unterbringung, freilich in deutlich reduzierten Dimensionen, was nicht zuletzt dem Bedeutungsverlust papiergestützter Informationsquellen gerade im Fach Medizin geschuldet ist. Das Festsaalgebäude, der architektur-historisch wohl bedeutendste Bau der Universität, bedarf dringend der Sanierung. Vorläufig dient es derzeit noch als Bücherspeicher, seine zukünftige Nutzung ist offen.2

    Ute E. Flieger / Bernd Hagenau

       

      Anmerkungen

      1. Ullmann, Baubeschreibung, S. 68–72; Dittmann, Masterplan, S. 45; Dietsch, Architektur, S. 78f.
      2. Wissenschaftsrat, Bibliotheken, S. 182.