LKGS-Informationen für UKS-Personal

Informationen für UKS-Personal für Neugeborene mit LKGS

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die vorliegenden Informationen sollen Ihnen in der gebotenen Kürze das Therapiekonzept und dessen Hintergründe vom UKS Spaltzentrum für Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten (LKG) einschließlich der Pierre-Robin-Sequenz (PRS) erläutern. Die Informationen sind vergleichbar zu denjenigen, welche die Patienten etwas weniger detailliert erhalten.

Spaltbildung allgemein

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte – kurz LKG-Spalte – ist der Überbegriff für eine angeborene Gesichtsfehlbildung. Bei dieser sind teilweise oder vollständige Unterbrechungen von Teilen der Mund- und Nasenregion möglich. Spaltbildungen des primären Gaumens betreffen die Lippe sowie den zahntragenden Anteil – im Deutschen fälschlich als »Kiefer« bezeichnet, besser ist die Englische Terminologie »alveolous«, vgl. CLP: »cleft lip, alveolous and palate«. Spalten des primären Gaumens können ein- oder beiderseitig auftreten. Spaltbildungen des sekundären Gaumens sind zentral und betreffen den harten Gaumen sowie die Gaumenaponeurose. Besonders Patienten mit Pierre-Robin-Sequenz zeigen mehrheitlich Spaltbildungen ausschließlich des sekundären Gaumens.

Mit einer Häufigkeit von 1:500 bilden LKG-Spalten einen erheblichen Teil der angeborenen Fehlbildungen des Menschen. Die Spaltbildung tritt als Folge unvollständiger Entwicklungsprozesse auf, die Ursachen hierfür sind multifaktoriell. Je nach Ausprägung der Spaltbildung können neben dem ästhetischen Erscheinungsbild wichtige Funktionen wie Atmen, Schlucken, Hören und infolgedessen auch Sprechen beeinträchtigt sein.

Durchführung der Maßnahmen

Die Abformung für die Gaumenplatte soll nach Möglichkeit in der Klinik für Kieferorthopädie im Beisein zumindest eines Elternteils erfolgen, damit die korrekte Handhabung unmittelbar erläutert werden kann. Eine Abformung auf Station ist in Ausnahmefällen zu realisieren, aber mit Nachteilen (Lagerung des Patienten, Werkstoffverarbeitung usw.) behaftet.

Behandlungsprinzipien bei LKG

Die Behandlung von Patinten mit LKG-Spalten beginnt im Optimalfall kurz nach der Geburt, spätestens aber nach Ablauf der ersten postpartalen Woche durch das Eingliedern einer Gaumenplatte durch die Klinik für Kieferorthopädie (KFO - SAP: ZO-ABTLG). Die Gestaltung der Gaumenplatte kann in Abhängigkeit von den Befunden individuell variieren. Dies ist jedoch in ausgesuchten Einzelfällen nicht nötig. Die Entscheidung hierüber kann durch einen Kieferorthopäden getroffen werden, sie ist aber mehrheitlich bei Spaltbildungen ausschließlich im Bereich des Gaumensegels bzw. der Uvula nicht nötig.

Die Gaumenplatte wird leider sehr oft Eltern oder Betreuern gegenüber fälschlich als »Trinkplatte« bezeichnet. Die klinische Beobachtung zeigt, dass auch ohne Gaumenplatte die Nahrungsaufnahme früher oder später möglich ist, was die Compliance für die Behandlung stark reduziert. Die Indikation ist jedoch in den seltensten Fällen die Erleichterung der Nahrungsaufnahme, sondern die Herstellung der funktionellen Trennung von Mund- und Nasenhöhle.

Eine Spaltbildung mit Beteiligung des harten Gaumens wird durch die Gaumenplatte mechanisch verschlossen. Die Gaumenplatte ist aus durchsichtigem Kunststoff (siehe Abbildungen) und muss sich 24/7 im Mund befinden. Zu den Aufgaben einer Gaumenplatte gehören die funktionelle Trennung von Mund und Nase sowie die Steuerung des Wachstums der Gaumensegmente zur Verkleinerung der Spalte. Dies gelingt nur bei regelmäßiger Überwachung und Adaptation in der Klinik für Kieferorthopädie. Die Gaumenplatte ist kein spaltfüllender Obturator, ebenso wenig ersetzt Sie das Velum.

Die Reduktion der Spaltbreite durch Behandlung mit Gaumenplatte kann eine optimale Voraussetzung für einen spannungsfreien, chirurgischen Verschluss der Lippen- bzw. Gaumenspalte schaffen. Ein positiver Nebeneffekt ist häufig ein verbessertes Trinkverhalten durch die optimierte, kaudalere Lage der Zunge. Das Stillen des Babys ist trotzdem erschwert oder unmöglich, da auch mit Gaumenplatte der für das Saugen nötige Unterdruck nicht zu bilden ist. Zur Sicherstellung der Ernährung ist ein abgestuftes Vorgehen mit unterschiedlichen Saugern zweckmäßig, Ultima Ratio ist keineswegs der kommerziell erhältliche »Spaltsauger«, sondern der Habermannsauger. Kontrollen und Anpassungen der Gaumenplatte finden alle 4 Wochen statt. In Abhängigkeit vom Wachstum, spätestens aber alle 3 Monate, wird die Gaumenplatte erneuert.

Behandlungsprinzipien bei PRS

Einen Sonderfall stellt die Behandlung mit Patienten mit PRS dar. Bei der PRS existiert kein einheitliches Krankheitsbild, weswegen diese Erkrankung auch nicht als Syndrom, sondern als Sequenz bezeichnet wird. Die therapeutischen Notwendigkeiten von Seiten der Kieferorthopädie richten sich nach dem Grad der durch die Sequenz gegebenen Probleme des Neugeborenen: Die Gaumenspalte kann breit und ausgeprägt in Hart- und Weichgaumen vorhanden oder seltener auch nur im weichen Gaumen gegeben sein. Die bei allen Menschen vorhandene nachgeburtliche Rücklage des Unterkiefers, die bei PRS erkennbar stärker ausgeprägt ist, kann besonders dann extreme Ausmaße erreichen, wenn es bereits vorgeburtlich zur längerfristigen Einlagerung der Zunge in eine vorhandene Gaumenspalte kommt. Hierdurch kann das Längenwachstum des Unterkiefers sehr nachteilig beeinflusst werden und infolgedessen die Atmung durch die Rücklage bzw. das Rückfallen der Zunge erheblich behindert sein.

Die kieferorthopädischen Behandlungsmöglichkeiten reichen dementsprechend – in Abhängigkeit von der Ausprägung der Befunde Atemnot, Sauerstoffsättigung und Spaltform – von passiven Gaumenplatten ohne oder mit Stimulationselementen, Gaumenplatten mit zusätzlicher dorsaler Extension und Gaumenplatten mit Sporn zur Protrusion der Zunge bzw. des Unterkiefers mit der so genannten Tübinger Spornplatte. Letztgenannte Apparatur wird auch nur in Tübingen angefertigt, da die Anpassungen in dafür speziell ausgerüsteten Laboren erfolgen. Kieferorthopädische Maßnahmen können auch von Physiotherapie flankiert werden. Bei extremer Ausprägung der Atemnot bei PRS sind kieferchirurgische Maßnahmen (Extension, Tracheostomie) angezeigt.

Aufklärung

Die detaillierte Aufklärung der Eltern erfolgt mehrheitlich in der Klinik für Kieferorthopädie (KFO - SAP: ZO-ABTLG). Eine gesonderte Aufklärung in der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG - SAP: GK-ABTLG) ist nicht unmittelbar postpartal erforderlich, sollte aber nach Anpassung der Gaumenplatte zeitnah durchgeführt werden, da die ersten mund-kiefer-gesichtschirurgischen Maßnahmen bereits im Alter von 4-6 Monaten erfolgen. Eine Überweisung der Patienten muss nicht durch den Kinderarzt geschehen, sondern kann entsprechend auch jederzeit durch die Kieferorthopädie an die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie erfolgen.

Tragezeit und Handhabung der Gaumenplatte

Tragezeit ist immer 24/7, ggf. unterstützt durch eine geringe Menge von Prothesenhaftcreme. Regelmäßige Reinigung ist nach jeder Mahlzeit erforderlich, da ansonsten die Gefahr der Erkrankung durch Candidose (Mundsoor) besteht.

Kontrollintervall

Gaumenplatten werden mehrheitlich 4-wöchig durch die Kieferorthopädie überprüft und spätestens nach 3 Monaten in Abhängigkeit vom individuellen Wachstum erneuert.

Ansprechpartner

Sprechzeiten und Ansprechpartner

Klinik für Kieferorthopädie

Gebäude 56

Direktor der Klinik und Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. Jörg Lisson, M.Sc.

Sprechzeiten: Donnerstag von 10:00-12:00

Terminvereinbarung unter: 06841 16-24915

www.uks.eu/kfo

 

INTERDISZIPLINÄRES BEHANDLUNGSTEAM

Klinik für Mund- Kiefer und Gesichtschirurgie

Gebäude 71

Ansprechpartner: Univ.-Prof. Dr. Dr. Kolja Freier,

Dr. med. Heiko Landau, Dr. medic. Ramona Filip

Sprechzeiten: Donnerstag von 10:00-16:00

Terminvereinbarung unter: 06841 16-24924

 

Klinik für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde

Audiologie, Neurootologie, Phoniatrie u.

Pädaudiologie

Gebäude 6

Ansprechpartner: Dr. med. Carl-Albert Bader

Terminvereinbarung unter: 06841 16-22951

 

Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin

Gebäude 9

Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Gabriele Meyberg-Solomayer

Terminvereinbarung unter: 06841 16-28000

 

Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie

Gebäude 9

Ansprechpartnerin: Dr. med. Martina Geipel

Terminvereinbarung unter: 06841 16-28365

 

Institut für Humangenetik

Humangenetische Beratungsstelle

Gebäude 68

Ansprechpartner: Prof. Dr. Wolfgang Henn

Terminvereinbarung unter 06841 16-26605