Saarbrücker Europa-Konferenz
4. Saarbrücker Europa-Konferenz
Europa träumt(e)? Zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit
28. und 29. November 2024 | Rathausfestsaal Saarbrücken und Aula der Universität des Saarlandes
Die Europäische Union wurde einst als Traum imaginiert: als Friedensprojekt, in dem die europäischen Gesellschaften geeint zusammenleben und Grenzen abgebaut sind, als ein Traum von der Einheit in der Vielfalt. Gegenwärtig stellen drängende gesamteuropäisch, aber auch global relevante Themen Europa und die europäische Politik vor große Herausforderungen und fordern immer öfter Entscheidungen und Lösungen auf einer europäischen Ebene. Doch oftmals scheitern hohe politische Ambitionen an ihrer tatsächlichen Umsetzung. Spannungen zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit sind zunehmend spürbarer und bereiten populistischen und euroskeptischen Bewegungen einen Nährboden.
Die 4. Saarbrücker Europa-Konferenz legt den Fokus auf diese Spannungen und nimmt die daraus resultierenden Konflikte und Konsequenzen in den Blick.
Erneut werden sich im Rahmen eines Info-Forums auch wieder viele weitere Europa-Einrichtungen der Universität des Saarlandes mit Infoständen präsentieren.
DIe Anmeldung für die 4. Saarbrücker Europa-Konferenz ist über folgenden Link möglich:
Programm
Donnerstag, 28. November 2024
Rathausfestsaal der Landeshauptstadt Saarbrücken, 18 Uhr
Podiumsdiskussion „Visionen von Europa. Deutsch-französische Perspektiven"
Grußwort: Prof. Dr. Patricia Oster-Stierle (Präsidentin der Deutsch-Französischen Gesellschaft Saar)
Podiumsgäste:
- Prof. Dr. Emmanuel Droit (Sciences Po Strasbourg)
- Martina Geiger-Gerlach (Künstlerin, “Das Parlament träumt - Ein poetisches Bild des Europäischen Parlaments”)
- Jo Leinen (MdEP a.D.)
- Sabine Wachs (Saarländischer Rundfunk)
Moderation: Prof. Dr. Claire Demesmay (Sciences Po Paris)
mit anschließendem Umtrunk
Freitag, 29. November 2024
Aula der Universität des Saarlandes
8.45 Uhr | Empfang der Gäste und Begrüßungskaffee
9.00–9.30 Uhr | Einführung und Grußworte
- Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann, CEUS-Vorsitzende
- Prof. Dr. Ludger Santen, Präsident der Universität des Saarlandes
- Jakob von Weizsäcker, Minister der Finanzen und für Wissenschaft des Saarlandes
Sektion 1 | Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Konsolidierung von Rechtspopulismus und Euroskeptizismus in Europa
- 9.30–10.30 Uhr | Prof. Dr. Berthold Rittberger (Internationale Beziehungen, LMU München): Die EU: (K)ein Paradies zum Abladen politischer Verantwortung?
10.30–10.45 Uhr: Kaffeepause
- 10.45–11.45 Uhr | Prof. Dr. Daniela Braun (Politikwissenschaft, Universität des Saarlandes): Die Auswirkungen des konsolidierten Euroskeptizismus auf europäische Politik
- 11.45–12.45 Uhr | Prof. Dr. Martin Schröder (Soziologie, Universität des Saarlandes): Die emotionale Verbundenheit mit der EU steigt trotz rechtspopulistischer Parteien
ca. 12.45–14.00 Uhr: Mittagsimbiss
Sektion 2 | Eine mehrsprachige europäische Gesellschaft: Utopie oder Wirklichkeit?
- 14.00–15.00 Uhr | Dr. Heiko F. Marten (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache, Mannheim): Sprachenpolitik in Europa: Programmatik und Realitäten zwischen Vielfalt und nationalen Identitäten
- 15.00–16.00 Uhr | Dr. Constantin Schäfer (Managing Consultant Deliberation, Open Government und Demokratie in Europa, ifok): Der Umgang mit Mehrsprachigkeit und die Überwindung von Sprachbarrieren in transnationalen Bürgerbeteiligungsprozessen – Erfahrungen aus der Praxis
Vortragsabstracts
Politische Schuldzuweisungen („blame games“) sind so alt wie das politische Geschäft. Wer möchte nicht gerne von eigenen Fehlern ablenken und dem politischen Gegner politisches Versagen in die Schuhe schieben? Die Konjunktur für Schuldzuweisungen könnte nicht besser sein: Europa befindet sich in der Dauerkrise, Populisten sind auf dem Vormarsch, das Geschäft mit Desinformation floriert. Demokraten müssten ob dieser Entwicklungen daher besonders alarmiert sein. Erstens und grundlegend müssten politische Schuldzuweisungen doch etwas „Schlechtes“ sein, weil Politiker Verantwortung für politisches Versagen abschieben, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Zweitens erschweren politische Schuldzuweisungen in der Regel die Zuordnung von Verantwortlichkeit durch die Öffentlichkeit und untergraben somit die Rechenschaftspflicht („accountability“) politischer Entscheidungsträger, die für demokratische Politik gerade in Krisenzeiten essenziell ist. Drittens sollten diese Effekte im europäischen Mehrebenensystem zusätzlich verstärkt werden, weil die Möglichkeit von Schuldzuweisungen an EU-Akteure das innenpolitische „blame game“ erweitert und die Verschleierung von Verantwortlichkeiten vereinfacht. In meinem Vortrag werde ich diese drei Annahmen kritisch beleuchten. Erstens können politische Schuldzuweisungen auch gute Seiten haben, wenn sie die „Richtigen“ treffen. Zweitens können politische Öffentlichkeiten dabei helfen, „falsche“ von „richtigen“ Schuldzuweisungen zu unterscheiden, und dafür Sorge tragen, dass die Rechenschaftspflicht demokratischer Politik nicht untergraben wird. Drittens ist die EU nicht das Paradies zum Abladen politischer Verantwortung, als das sie oft dargestellt wird.
Die Europäische Union (EU) – die weltweit fortschrittlichste und beispielhafteste Form regionaler Integration – befindet sich in einer Zeit, in der die interne Kritik bedeutender wird als je zuvor in der Geschichte der Europäischen Integration. Eine völlig neue Parteienfamilie europaskeptischer Parteien konnte sich mittlerweile konsolidieren und hat das Potenzial, die europäische Politik entscheidend zu prägen. Insofern müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen der Aufstieg und die Konsolidierung euroskeptischer Parteien des linken und rechten Randes mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Vortrag mit der Fragestellung, ob und inwiefern die Konsolidierung euroskeptischer Parteien den Parteienwettbewerb über europäische Themen bereits verändert hat. Hierzu wird zunächst ein Überblick über den bisherigen Forschungsstand zum Thema erfolgen, bevor die wesentlichen Erkenntnisse einer vor Kurzem gemeinsam mit Giuseppe Carteny publizierten empirischen Studie (How Does Eurosceptic Party Consolidation Transform Party Competition Over European Issues?) dargelegt werden. Weiterhin werde ich die Ergebnisse der Europawahlen 2024 mit Blick auf die euroskeptische Konsolidierung interpretieren und der Fragestellung nachgehen, wie die zukünftigen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen der europäischen Politik aussehen können.
Es ist unübersehbar, dass rechtspopulistische und europakritische Parteien zunehmend erfolgreich sind. Doch fragt man Europäerinnen und Europäer, ob sie sich der EU emotional verbunden fühlen, so zeigt sich in fast allen EU-Ländern seit 2014 eine zunehmende emotionale Identifikation mit der EU. Wie ist es möglich, dass sich Europäerinnen und Europäer der EU zunehmend verbunden fühlen, jedoch gleichzeitig zunehmend Parteien wählen, welche die europäische Integration in ihrer derzeitigen Form ablehnen? Als Antwort auf diese Frage zeigt diese Untersuchung mit Eurobarometer Daten, dass die Identifikation mit der EU nicht statt einer Identifikation mit dem eigenen Nationalstaat erwächst. Vielmehr fühlen Menschen sich der EU stärker als früher emotional verbunden, obschon die Verbundenheit mit ihren eigenen Nationalstaaten nicht abnimmt. Dies löst eine der Grundfragen der Literatur zur europäischen Integration, nämlich ob Verbundenheit mit der EU und Nationalismus sich widersprechen. Dies scheint nicht der Fall zu sein.
Die europäische Union hat seit vielen Jahren Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Leitgedanken verankert. Gleichzeitig sind sprachliche Realitäten in den einzelnen Mitgliedsstaaten ausgesprochen heterogen. Vor diesem Hintergrund skizziert der Vortrag zunächst einige Grundlagen der sprachenpolitischen Theorie, insbesondere den „Dreiklang“ von Spracheinstellungen, -praktiken und -management nach Spolsky (u. a. 2012, 2019). Dann werden exemplarisch die Sprachenpolitiken Deutschlands und Lettlands diskutiert, um den Gegensatz zwischen EU-Programmatik und unterschiedlichen nationalen Praktiken zu veranschaulichen. Es zeigt sich, dass jedem Land Spielraum für die Entwicklung nationaler sprachlicher Identitäten und die Ausgestaltung von Mehrsprachigkeit bleibt. Der Vortrag schlussfolgert somit, dass Mehrsprachigkeit in Europa als politisches Prinzip heute durchaus verbreitet ist, sprachliche Diskurse und sprachenpolitische Praktiken sich aber erheblich unterscheiden können. Dabei ist es nicht immer einfach, den Grundsatz der Diversität, Respekt vor Traditionen der Mitgliedsländer und individuelle Wünsche der Bevölkerung in Einklang zu bringen.
Alle zwei Jahre lädt das Cluster für Europaforschung der Universität des Saarlandes renommierte Gäste aus Wissenschaft und (politischer) Praxis zum Gespräch über Europa nach Saarbrücken ein und bringt so (internationale) Europaforschung mit Politik und Zivilgesellschaft in den Dialog. Die Zielsetzung der Saarbrücker Europa-Konferenz ist dabei eine doppelte: Einerseits geht es um die Bereitstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse für das europabezogene Handeln politischer Akteur:innen und andererseits um eine Sensibilisierung der Zivilgesellschaft für Europathemen. Adressat:innen der Konferenz sind sowohl Wissenschaftler:innen als auch die Politik auf Landes- und Bundesebene sowie die Zivilgesellschaft im Saarland und in der Großregion SaarLorLux.
Vergangene Europa-Konferenzen
Die 3. Saarbrücker Europa-Konferenz fand vom 12. bis 13. Mai 2022 statt.
Am 9. und 10. November 2018 fand unter dem Titel „Flüchtlingskrise, Migrationskrise, Europakrise? Die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf die europäischen Gesellschaften“ die 2. Saarbrücker Europa-Konferenz statt.
Am 10. und 11. November 2016 fand unter dem Titel „Europa, quo vadis? Was macht einen Europäer aus?“ die 1. Saarbrücker Europa-Konferenz statt.
Kontakt
Dr. Kristina Höfer
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Gebäude C5 3, Raum 2.23
Tel.: 0681 302-70440
kristina.hoefer(at)uni-saarland.de